Besteigung
der Tete Blanche und des Mt. Odin 2.147 m - die höchsten Berge von Baffin Island |
|
Anfang Juli 1990 fliegen Martin Anwander und ich über Montreal nach Baffin Island. Von Frobisher Bay (Iqualuit) geht es weiter nach Pangnirtung. Von dort führt ein 36 km langer Fjord bis zur Station Overlord, dem Eingang des Auyuittuq Nationalparks, in dem die höchsten Berge der Insel, die Tete Blanche und der Mt. Odin liegen. Man konnte uns im Vorfeld nicht mit letzter Gewissheit sagen, welcher der höhere ist. Deshalb wollen wir beide besteigen. Zunächst sitzen wir 3 Tage in Pangnirtung fest. Wir bekommen kein Boot, das uns zum Nationalpark bringt, da im Fjord noch zu viel Eis ist. Dann endlich findet sich ein Einheimischer, der uns mit seinem Motorboot zum Fjordende bringt. Jede Menge Eis ist noch unterwegs, aber mit viel Geschick bringt uns der Inuit ans Ziel, das ganz nahe am Polarkreis liegt. Anscheinend ist noch niemand im Nationalpark. Wir sind absolut allein und vor uns liegt die anstrengendste Tour, die ich je unternommen habe. Wir haben für 18 Tage Proviant bei uns, ferner das für diesen Zeitraum zum Kochen notwendige Benzin, die Kocher und nicht zuletzt die gesamte Kletter- und Eisausrüstung, sowie Schlafsäcke, Zelt, etc. Wie befürchtet, müssen wir alsbald erkennen, dass wir diese Menge weder vom Volumen noch vom Gewicht her auf einmal transportieren können. Uns bleibt nur, jeweils zweimal zu gehen. Auch das gelingt uns angesichts der Länge der Etappen nicht an einem Tag. Vor allem deshalb nicht, weil wir oft reißende Bäche queren müssen, was nicht nur den letzten Mut verlangt, sondern auch zeitaufwendig ist. So brauchen wir für die beiden ersten Etappen schon 4 Tage. Da der Weg noch weit ist, legen wir am Fuß des Mt. Odin ein Depot an und reduzieren unser Gepäck. Trotzdem sind unsere Rücksäcke immer noch abartig schwer. Aber von jetzt an gehen wir die Etappen nur noch einmal. Bald zeigt sich auch, dass wir unseren Proviant wegen des Gewichts außerordentlich knapp kalkuliert haben. Obwohl wir während der ganzen Expedition nicht einmal richtig satt werden und eigentlich immer hungrig sind, halten wir uns mit eiserner Disziplin an den Verpflegungsplan. Aber auch Positives gibt es zu berichten: Das Wetter ist viel besser als prognostiziert und die Landschaft ist von einmaliger Schönheit. In den folgenden Tagen kommen wir zum Summit Lake, passieren den Caribou-Gletscher und überqueren den Turner-Gletscher mit dem einmaligen Blick auf den Mt. Asgard. Wir steigen den Norman-Gletscher hinauf bis zur Einmündung eines Seitenarms, der nach unserer Karte zum NW-Grat der Tete Blanche führen müsste. Als am 16.07.1990 schon am frühen Nachmittag unser Zelt steht, gehen wir, um das Wetterrisiko zu minimieren, los. Eine lange Tour steht uns bevor. Nach unserer Information ist der Anstieg auf die Tete Blanche ein moderater Schnee- und Eisanstieg. Wir nehmen deshalb wenig Klettermaterial mit. Im weiteren Verlauf zeigt sich, dass das nicht stimmt. Zwei lange, messerscharfe und überaus heikle Eisgrate erfordern unsere ganze Aufmerksamkeit. Wir haben kein Material bei uns, um Zwischensicherungen zu machen. Erst um ½ 10 Uhr abends erreichen wir den Gipfel. Nach langem Abstieg sind wir froh, nach über 12 Stunden am Morgen des nächsten Tages gegen 3 Uhr wieder am Zelt zu sein. Nach einem Ruhetag beginnen wir mit dem Rückmarsch. Das Wetter ist bestens und die Landschaft ist, ebenso wie unsere Zeltplätze, überwältigend schön. Nach drei Tagen sind wir an unserem Depot, unweit des Couloirs, das nach unserer Meinung zum Mt. Odin führen müsste. Da wir nur wenig über Meereshöhe sind, trennen uns vom Gipfel sicherlich 2.000 Höhenmeter. Eigentlich wollten wir einen Ruhetag einlegen. Doch um das Wetterglück nicht unnötig zu strapazieren, wollen wir stattdessen den Mt. Odin angehen. Um 4 Uhr morgens gehen wir am 20. Juli 1990 los. Eine nicht enden wollende Geröllhalde nervt uns, bis wir eine auffallende Fels- und Eisrinne erreichen. Dort erwartet uns Blankeis. Doch nicht das ist das Problem, sondern ständiger Stein- und Eisschlag aus einem hoch über uns hängenden Gletscher, in dem bereits die Sonne ist. Jeder von uns denkt
angesichts dieser objektiven Gefahren an Umkehr. Doch keiner spricht es
aus und so erreichen wir das Ende des Couloirs. In kombiniertem Gelände
geht es stundenlang weiter bis wir am frühen Nachmittag bei traumhaften
Wetter und umwerfender Fernsicht den Gipfel erreichen. Lange dauert der
anspruchsvolle Abstieg und um 10 Uhr abends erreichen wir unser Zelt.
Jetzt kommt der Ruhetag. Wir versuchen noch als Zugabe den wunderschönen
Mt. Thor zu besteigen. Aber jetzt wird das Wetter so, wie wir es erwartet
haben. Im Nebel und Regen kämpfen wir uns zurück zur Station
Overlord. Eine eindrucksvolle Expedition ist zu Ende.
|
|