Chile
- Ojos del Salado 6.893 m

 

Am 2. Dezember 1986 stehen der Schweizer Stefan Wörner und ich am Mt. Vinson, dem höchsten Berg der Antarktis. Einige Tage später fliegen wir wieder zurück nach Santiago. Wir sind eine Woche früher dran als ursprünglich geplant.

Diese Zeit wollen wir nutzen, um den am Rande der Atacamawüste liegenden Ojos del Salado zu besteigen. Er ist der höchste Berg Chiles.

Wir wissen genau, dass unsere Erfolgsaussichten recht gering sind. Verdammt kurz ist die zur Verfügung stehende Zeit. Der Ojos liegt nämlich fast 1.000 km nördlich von Santiago an der Grenze zu Argentinien. Ausgangspunkt ist Copiapo, das von Santiago aus über die Panamericana zu erreichen ist.

Schon am nächsten Morgen wird gepackt und am späten Vormittag fahren wir mit einem Mietwagen los. Zunächst haben wir einige Schwierigkeiten, aus der Stadt hinauszufinden. Dann aber folgt eine wunderschöne Fahrt auf der Panamericana.

Sie führt uns zuerst durch fruchtbare Landstriche mit großartigen Ausblicken auf die hohen Gipfel der Anden, dann entlang der schier endlosen Pazifikküste und schließlich durch gebirgige Steppen bis hin zur Atacamawüste mit ihren über 6.000 m hohen Bergen. Nach etwas mehr als acht Stunden sind wir in Copiapo.

Von einem Chilenen, der zu unserem Antarktisteam gehört hat, haben wir erfahren, dass der Ojos in einem ca. 10.000 qkm großen Gebiet liegt, in dem von einer Minengesellschaft nach Gold und Silber gesucht wird. Nur die Fahrzeuge dieser Gesellschaft können uns von Copiapo zu unserem Ausgangspunkt bringen.

Wir fragen deshalb unseren Hotelier nach dem Chef der hiesigen Niederlassung. Er kennt ihn gut, ruft sofort dort an und schon eine Stunde später sitzen wir mit dem begehrten Senor beim Abendessen. Als wir ihm unsere exotischen Wünsche vortragen, erfahren wir zunächst, dass es bis zum Ojos noch einmal 300 km sein sollen. Mit etwa 100 km haben wir gerechnet, aber so weit? Ist damit unser Plan schon jetzt aus Zeitgründen gescheitert? Doch unser Gesprächspartner signalisiert in jeder Phase Hilfsbereitschaft. Der häufige Einwurf "no problem" beruhigt uns.

Morgens um 8 Uhr pilgern wir ins Büro der Minengesellschaft. Der Chef persönlich bringt uns zum Bus, mit dem die Mineure zu ihren Einsatzplätzen gefahren werden. Auf kurvenreichen unbefestigten Straßen fahren wir über Pässe, die bis zu 5.000 m hoch sind, durch eine irreal anmutende Landschaft, in der auffallende Rot- und Gelbtöne vorherrschen, der erste Hinweis auf Gold- und Silbervorkommen.

Nach vierstündiger Fahrt erreichen wir ein sogenanntes Campamento, in dem Mineure untergebracht sind. Auf unsere schüchterne Frage, ob wir noch weit von unserem Ziel, einer Übernachtungsherberge für die leitenden Herren der Minengesellschaft, entfernt seien, sagt man uns unter schallendem Gelächter, dass die Fahrzeit noch acht Stunden betragen würde. Nichtsdestotrotz kommen wir am späten Abend in der Herberge an, die immerhin auf einer Höhe von 4.500 m liegt.

Nach einer angenehmen Nacht fahren wir bei strahlendem Wetter mit einem Jeep nochmals 25 km querfeldein. Dort sind dann die Möglichkeiten des geländegängigen Fahrzeuges erschöpft. Auf Schusters Rappen setzen wir mit schweren Rücksäcken unseren Weg fort. Nach einigen Stunden erreichen wir auf einer Höhe von etwa 5.700 m eine Unterkunft, ein sogenanntes Refugio. Dies ist ein Stahlcontainer, der ähnlich wie eine Biwakschachtel eingerichtet ist.

Kurz vor uns sind acht chilenische Bergsteiger angekommen. Sie wollen hier, im Gegensatz zu uns, auch noch den nächsten Tag verbringen, um besser akklimatisiert zu sein. Leider können wir uns das aus Zeitgründen nicht leisten.

Wir müssen beim ersten Tageslicht aufbrechen. Mühsam durchsteigen wir eine Flanke mit Lavageröll und erreichen danach den Nordostgrat des Berges. Nach etlichen Stunden kommen wir zur Gipfelabdachung. Wir glauben uns dem Ziel schon nahe, doch immer wieder neue, aber leider auch höhere Felskegel tauchen auf. Jedes mal trügt die gehegte Hoffnung, es könnte endlich der Gipfel sein. So geht es noch lange weiter, bis wir in einiger Entfernung eine Felspyramide erkennen, die der höchste Punkt sein muss, da es anschließend nur noch bergab geht. Was wir nie so recht geglaubt haben, ist Wahrheit geworden. Die knappe Zeit hat ausgereicht, wir sind am Gipfel.

Nach etwa vier Stunden erreichen wir wieder unseren Ausgangspunkt. Die anwesenden Chilenen, von denen einer höhenkrank geworden war und, wie wir später in Santiago aus einer Zeitung erfahren, an einem Lungenödem gestorben ist, laden uns zum Verweilen ein. Wir können aber nicht lange bleiben, da wir den Jeep schon auf 18 Uhr an das Ende der Fahrpiste bestellt haben.

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