Toni Hiebeler und ich haben im Mai 1965 eine Skitour auf den Mont Blanc (4.807 m) gemacht. Als wir nach einer Übernachtung auf der Hütte Grands Mulet am 13. Mai auf dem Gipfel standen, waren wir beide überzeugt, nicht nur auf dem höchsten Berg unserer Alpen, sondern auch auf dem höchsten Berg Europas zu stehen.

Warum soll das heutzutage anders sein? Bis vor einiger Zeit herrschte namentlich in Europa die Meinung vor, dass die Grenze zwischen Europa und Asien im Bereich von Schwarzem und Kaspischem Meer die Kuma-Manytsch-Niederung, eine Kaukasien im Norden begrenzende Senke sei, die sich vom Asowschen Meer zum Kaspischen Meer erstreckt. Nach dieser Auffassung wäre tatsächlich der Mont Blanc der höchste Berg Europas. In neuerer Zeit hat sich jedoch die logischere Variante durchgesetzt, wonach die europäisch-asiatische Grenze vom Hauptkamm des Kaukasus gebildet wird. Damit ist der höchste Berg Europas der Elbrus, der etwas nördlich dieses Hauptkamms liegt.

Anfang Mai 1984 fliegen Heinz Zembsch, Peter Vogler und ich zusammen mit einigen anderen Bergsteigern über Moskau nach Mineralnyje Wody in Nordkaukasien. Von dort geht es weiter per Bus in das russische Sporthotel Tscheget am Fuß des Elbrus.

Am 9. Mai steigen wir von der Prijut-Hütte (ca. 4.200 m) mit Skiern auf in die Senke zwischen den beiden Elbrusgipfeln. Peter und ich waren der übrigen Gruppe voraus. Wir machen Skidepot und gehen mit Steigeisen zum höchsten, mit einer Sowjetfahne bestückten Punkt des Hauptgipfels (5.642 m). Als wir wieder bei unseren Skiern sind, müssen wir miterleben, wie die seinerzeit allgegenwärtigen russischen Instruktoren unseren Kameraden den Weiterweg verwehren, weil es schon zu spät sei. Dies drückt die Stimmung der Gruppe, aber ändern lässt sich nichts. Nur ein weiterer Versuch kann dem Gros der Gruppe den erhofften Gipfelerfolg bringen.

Am 13. Mai ist es dann so weit. Peter und ich sind wieder dabei, gehen jedoch einen anderen Weg. Wir wollen dieses Mal die Überschreitung der beiden Elbrus-Gipfel versuchen. Wir steigen mit den Skiern am Rucksack über den Ostgrat auf den 5.633 m hohen Ostgipfel. Fahren vom Gipfel ab in die Scharte und steigen nochmals auf den Hauptgipfel, so dass wir zum zweiten Mal einen Erfolg am höchsten Gipfel Europas feiern können.

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