Erste Expedition
vom 05. Januar bis 21. Februar 1991 Dramatik pur am Mt. Paget Erstbesteigung des Mt. Normann |
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Seit ich meine Liebe zu Feuerland, den Inseln um Kap Hoorn und die antarktischen Gewässer entdeckt habe, ließ mich der Wunsch, eine Expedition mit dem Ziel Südgeorgien durchzuführen, nicht mehr los. Zunächst habe ich Jean-Paul Bassaget, mit dem ich 1987 das erste Mal am Kap Hoorn war, angesprochen. Er winkte ab. Ihm war die Segelei zu lang, zu extrem und zu strapaziös. Die Absage hat mich nicht entmutigt, sondern nur stimuliert, noch mehr über die Insel und alles was dazu gehört zu erfahren. Natürlich habe ich auch versucht, mehr über die Berge Südgeorgiens, insbesondere über dessen höchsten Berg zu erfahren. Dabei erfuhr ich, dass der fast 3.000 m hohe Mt. Paget erst zwei Besteigungen aufzuweisen hatte. Kein Wunder bei den dort herrschenden extremen Wetterbedingungen. Gipfelerfolge sind deshalb äußerst rar und nur zu feiern, wenn das Wetterglück lacht, was überaus selten ist. Die erste Besteigung ist einer britischen Militärexpedition gelungen. Ausgangspunkt war ein von der Marine mit Helicopterunterstützung eingerichtetes Depot oberhalb der an der Südwest-Küste der Insel gelegenen Bucht Larvik. Die südlich ausgerichtete Küste Südgeorgiens kann wegen der extremen Wind- und Strömungsverhältnisse in der Regel nur mit starken Motorschiffen angelaufen werden. Im konkreten Fall war das die HMS Protector. Die Expeditionsteilnehmer stiegen dann über den anfangs flachen Christophersen Gletscher bis zur Westflanke des Berges und über diese zunächst auf den früher schon einmal bestiegenen Westgipfel. Von dort querten sie die etwa 100 m tiefe und ca. 2 km lange Einschartung hinüber zum Hauptgipfel, den sie am frühen Morgen des 30. Dezember 1964 erreichten. Erst im Jahr 1980 ist die zweite Besteigung einer Gruppe von vier französischen Bergführern aus Chamonix gelungen. Sie kamen mit der Segelyacht "Basile", deren Skipper der Franzose Alain Caradec war. Sie segelten von Ushuaia nach Südgeorgien zur stillgelegten Walfangstation Grytviken in der King Edward Cove und von dort zum Ende der Cumberland East Bay, in die der Nordenskjöld Gletscher abbricht. In einem mehrtägigen Unternehmen wurde zunächst auf dem Nordenskjöld Gletscher und dem Paget Gletscher bis zu dessen Ende aufgestiegen. Anschließend kletterten sie am 1. Februar über den dort beginnenden Nordgrat auf den 2.934 m hohen Gipfel. Mit diesen Erkenntnissen versorgt, machte ich mich auf die Suche nach einer Yacht und einem Skipper. Es gelang mir, über einige Umwege mit Alain Caradec Verbindung aufzunehmen. Er hatte in der Zwischenzeit seine Yacht "Basile" verkauft und eine andere Yacht mit dem Namen "Kotick" erworben. Alain und ich waren schnell darüber einig, dass für einen Besuch von Südgeorgien eine Charterzeit von 6 Wochen angemessen sei. Dies erscheint lang, aber man muss bedenken, dass allein die Segelstrecke von und bis Ushuaia etwa 2.700 sm (5.000 km) beträgt und es auf Südgeorgien eine Unmenge an sehenswerten Anlaufpunkten gibt. Weiteres Ziel für mich war natürlich die Besteigung des Mt. Paget. Auf der Suche nach geeigneten Partnern wurde ich rasch fündig. Martin Anwander und Hans Engl waren bereit, das Abenteuer mitzumachen, wenn auch für sie als lebenslange Bergsteiger, die Vorstellung wochenlang auf einem Segelboot in dem von Stürmen zerpflügten antarktischen Ozean sein zu müssen, recht fremd war. Und dann kam es so, wie es muss. Am 8. Januar 1991 gehen wir im Hafen von Ushuaia an Bord der Yacht Kotick. Wir verstauen unsere Seesäcke mit der Bergausrüstung und meinen, jetzt könnte es losgehen. Aber weit gefehlt. - Die Kotick hat einen einziehbaren Kiel und die entsprechende Mechanik ist defekt. Alain und ein befreundeter Skipper versuchen die Reparatur. Dazu muss immer wieder im eiskalten Wasser getaucht werden. Bei den Tauchgängen friert Alain wie ein Hund, da er nur einen altersschwachen, löchrigen Propylenanzug hat. Uns bleibt nur die Rolle der Zuschauer. Auch der nächste Vormittag vergeht mit Vorbereitungsarbeiten. Am Nachmittag geht's endlich los. Zuerst, wie üblich, nach Puerto Williams zum Einklarieren und dann an der Südküste von Feuerland entlang. Die berüchtigte LeMaire-Straße wird an deren Südende gequert. Darauf folgt eine landschaftlich sehr reizvolle Fahrt mit Blick auf die Staten-Insel. Aber dann wird das Meer immer rauer und der Blickkontakt zum Land verliert sich vollends. Jetzt werden weitere Mängel unseres Gefährts offenbar. Der Autopilot ist nicht einsatzfähig, so dass das Ruder von Hand bedient werden muss, wenn es nicht genügt, es festzuzurren. Ein GPS-Gerät, die größte Segnung des Navigierens seit der Erfindung des Kreiselkompasses, ist nicht an Bord. Da es nicht einwandfrei funktionierte, hat es Alain eingeschickt. Die Navigation muss deshalb nach alter Väter Sitte mit einem Sextanten erfolgen. Wenn Alain bei haushohen Wellen an Deck muss, sich mit einem Fuß an der Reling einhängt, um mit dem Sextanten unsere Position zu bestimmen, schicken wir Stoßgebete zum Himmel, damit ihn nicht ein Brecher von Bord fegt. Ob wir ohne ihn Südafrika oder Südamerika treffen würden? Keiner glaubt's. Obwohl wir nur Wasser und gelegentlich majestätische Albatrosse sehen, deren unnachahmliche Flugkunst immer wieder begeistert, wird uns nicht langweilig. Der antarktische Ozean bietet uns alles, was ein Meer bieten kann: haushohe Wellen, Flauten, Wasser in allen Farbschattierungen, von tiefschwarz, über grün bis hellblau leuchtend, gelegentlich Eisberge, Wolken in allen möglichen Formen und Farben und das nie endende Bangen, doch noch ans ersehnte Ziel zu kommen. Schließlich erreichen wir nach 9 Tagen Südgeorgien. Wie ein glitzerndes Juwel tauchen die eisigen Gipfel aus den Wellen des stürmischen Ozeans auf. Von der Schönheit der Insel sind wir überwältigt. Sie ist in Wirklichkeit noch viel faszinierender, als alle Beschreibungen es vermitteln können. Am 18. Januar erreichen wir überglücklich Grytviken und legen an der altersschwachen Pier der ehemaligen Walfangstation an. Insgeheim danken wir alle Gott, dass der neuntägige Höllenritt zu Ende ist. Mit stakeligen Schritten versuchen wir, uns wieder an festen Boden zu gewöhnen. Erst nach einiger Zeit sind wir in der Lage, die längst verlassenen Bauwerke der Walfangstation zu besuchen. Wir staunen über die Ausmaße und die Tatsache, dass es autark operierende Fabriken mit großen Werksanlagen waren. In den Wohnbaracken stehen noch die Betten. Das Kino der Walfänger ist baufällig. Die aus Norwegen stammende Kirche ist noch intakt. Im Hafen liegen drei auf Grund gesetzte Walfangschiffe, bestückt mit Harpunen. In der Umgebung räkeln sich faule See-Elefanten, leben die schön gezeichneten Königspinguine und vermodern die riesigen Knochen der getöteten Wale. Wir finden alle möglichen Requisiten, die noch an die längst vergangenen Zeiten erinnern. Auf dem Friedhof sind die Gräber der meist jung ums Leben gekommenen Walfänger, das Grab Shackeltons und eines im Falklandkrieg gefallenen jungen Argentiniers. Gegen Abend kommt der Chef der britischen, damals noch 42 Mann starken Garnison an Bord. In seinem Gefolge ist der sogenannte Hafenmeister, ein Waliser namens Crag Jones, ein Fischerei-Wissenschaftler, der bei den Militärs angesiedelt ist, und dem es obliegt, Fischdampfer auf die Ordnungsmäßigkeit ihrer Fangergebnisse zu kontrollieren. Er sagt, er sei Bergsteiger, zeigt uns Bilder von seinen Klettereien und lässt nach einigen Umschweifen heraus, dass er sich anschließen möchte. Da wir ihn nicht kennen, versuchen wir zunächst abzuwiegeln. Seine Enttäuschung ist augenfällig. Als er immer wieder versichert, alles an Ausrüstung und Verpflegung beizusteuern, was er braucht, erlahmt unser Widerstand. Wir stimmen zu. Am nächsten Nachmittag segelt uns Alain zum Abbruch des Nordenskjöld Gletschers. Unser neuer Freund Crag ist mit von der Partie. Wir bringen unsere Habseligkeiten an Land und stellen, etwa 200 m von dem mit See-Elefanten und Pinguinen besiedelten Ufer entfernt, unsere Zelte auf. Nach einer erholsamen Nacht ist Wegsuche angesagt. Gegen 8 Uhr verlassen wir die Zelte. Wir nehmen nur Verpflegung für ein Depot mit. Über Grashänge steigen wir auf den aperen Nordenskjöld Gletscher bis zur Abzweigung des Paget Gletschers. Nach einer kurzen Debatte entscheiden wir, diesem weiter zu folgen. Nach etwa 5 Stunden kommen wir zu einem Eisbruch, der auf den oberen Paget Gletscher führen müsste. Wir machen eine kurze Rast, doch plötzlich beginnt es zu regnen. Deshalb deponieren wir unsere Verpflegung und kehren im strömenden Regen wieder zu unseren Zelten zurück. Der nächste Tag verheißt Wetterbesserung. In der Sonne trocknen wir unsere Sachen, brechen die Zelte ab und steigen wieder auf zu unserem Depot. Kaum stehen die Zelte, fängt es wieder an zu regnen. Wir bleiben und übernachten. Obgleich die Wetterlage alles andere als stabil erscheint, wollen wir heute durch den vor uns liegenden Eisbruch eine Route suchen. Um etwas leichtere Rucksäcke zu haben, lassen wir die Zelte stehen und nehmen im wesentlichen wieder nur Verpflegung mit. Crag möchte, im Gegensatz zu uns, alles mitnehmen und oben bleiben. Die Wegsuche ist nicht einfach. Das Gelände ist zerrissener als es ausgesehen hat. Trotzdem erreichen wir nach dem Eisbruch den oberen Teil des Paget-Gletschers, an dessen Ende der Nordgrat beginnen müsste. Der Gletscher ist praktisch ein Labyrinth von Spalten. Wir kommen nur langsam voran. Sturm kommt auf. Er wird immer stärker und reißt uns oft regelrecht zu Boden. Aber wir geben nicht auf und kämpfen uns bis zum Gletscherende durch. Nur schemenhaft können wir hinter sturmgepeitschten Wolkenfetzen die Aufstiegsrampe erkennen, die zum Nordgrat führen müsste. Wir hacken eine Höhle aus dem Gletscher und machen ein Depot. Crag will im Schutz eines Abbruchs sein Zelt aufstellen. Wir aber verlassen den ungastlichen Ort und müssen beim Abstieg mit den gleichen Schwierigkeiten fertig werden, wie im Aufstieg. Nur die Rucksäcke sind um vieles leichter. Am nächsten Morgen sieht das Wetter noch weniger vertrauenserweckend aus. Wenn Crag nicht allein oben in diesem Inferno hocken würde, aus dem es ohne Seilsicherung kein Entrinnen gibt, wären wir nicht aufgebrochen. Aber so treibt uns die Sorge bergwärts. Durch den Eisbruch kommen wir noch relativ gut. Aber im oberen Teil des Paget Gletschers macht es völlig zu. Oft wissen wir nicht mehr, wo wir sind. Im dichtesten Nebel mogeln wir uns praktisch im Blindflug über die unzähligen Spalten und kommen nach ungefähr 6 Stunden zu unserem Depot. Doch Crags Zelt sehen und finden wir nicht. Wir brüllen seinen Namen in den Sturm. Plötzlich hören wir eine Antwort, die von unten kommt und Crag entsteigt phönixgleich der Höhle, die wir für unser Depot gegraben haben. Was war passiert? Beim Versuch, sein Zelt aufzustellen, hat ihm der Sturm die Zelthülle weggerissen. Zwei Stunden hatte er versucht, sie wiederzufinden, jedoch ohne Erfolg. Er hat sich, um zu überleben, in unsere Depothöhle eingegraben, Crag ist heilfroh über unser Kommen. Unweit von uns sehen wir im Gletscher ein relativ tiefes Loch, in dem ein riesiger Eisblock liegt. Im Schutz dieses Blocks stellen wir unser Zelt auf. Wir quetschen uns zu viert in die winzige Behausung. Dank des schützenden Umfelds hören wir das Toben des Sturms weniger laut. Wir sind hundemüde und schlafen sofort ein. Doch kurz nach Mitternacht schrecke ich hoch. Ich bekomme kaum Luft. Sauerstoffmangel - wir sind eingeschneit. Die Zeltwände sind hart, der Innenraum wird immer kleiner. Unter der Schneelast drohen die Wände zu bersten. Mit Gewalt öffnen wir den Eingang. Die Schneemassen drücken ins Zelt. Nur zwei Schaufeln haben wir. Crag und Hans graben sich durch den Schnee und versuchen, die auf das Zelt drückende Schneelast wegzuräumen. Anfangs wird es etwas besser, aber bald zeigt sich, dass der Sturm mehr Schnee heranpeitscht, als die beiden wegräumen können. Verzweifelt stemmen Martin und ich uns mit Rücken und Füßen gegen die Zeltwände, aber der Raum zum Überleben wird immer kleiner. Wir versuchen, die lebensnotwendige Ausrüstung zu bergen. Verpflegung lassen wir zurück. Da die Schneemassen den normalen Eingang total blockieren, ist das Zelt nicht mehr zu retten. Wir müssen es mit unseren Messern aufschlitzen. In einem Wahnsinnssturm und ohne jede Sicht beginnen wir mit unseren letzten Halbseligkeiten den Abstieg. Jetzt geht's nur noch ums nackte Überleben. Die orkanartigen Böen haben teilweise eine solche Gewalt, dass wir zu viert, trotz Seilverbindung, auf den Gletscher geworfen und über das Eis gefegt werden. Wie durch ein Wunder ist keiner ernsthaft in eine der unzähligen Spalten gestürzt. Nach etwa 7 Stunden sehen wir plötzlich die Abzweigung zum Eisbruch, Keiner hat es mehr geglaubt. Ich habe immer gedacht, es sei das große Aus. Im Eisbruch lässt der Sturm nach. Über 12 Stunden sind wir unterwegs bis wir total erschöpft und völlig durchnässt unser Basislager am Meer erreichen. Unsere Yacht ist nicht da. Mangels eines Zelts bauen wir aus Biwaksäcken einen Regenschutz und dann geht's ab ins Land der Träume. Am nächsten Morgen regnet es immer noch. Wir ziehen Bilanz: Wir haben kein Zelt mehr und unsere Verpflegungsvorräte sind auf ein Minimum geschmolzen. An einen nochmaligen Versuch ist nicht zu denken. Wir hocken im Regen an einem Meeresarm neben einem riesigen Gletscherabbruch. Unweit von uns tragen See-Elefantenbullen ihre Positionskämpfe aus. Pinguine schauen ihnen und uns interessiert zu. Eine keineswegs beneidenswerte Situation. Doch dann hellen sich unsere trüben Gedanken etwas auf. Crag gelingt es mit seinem Funkgerät Verbindung zur britischen Garnison aufzunehmen. Diese will ihrerseits versuchen, Kontakt mit der Kotick zu bekommen. Dies ist anscheinend gelungen, denn am Abend werden wir geholt. Jetzt ist die Welt wieder in Ordnung. Wir fahren zurück nach Grytviken, duschen in der britischen Garnison, stillen unseren Heißhunger und zu trinken gibt es auch alles, was das Herz begehrt. Nach diesem Horrorerlebnis feiern wir unser Überleben wie Geburtstag. Nach einem Ruhetag verlassen wir Grytviken und segeln entlang der Küste nach Süden. Wir machen Halt in der Bucht "Ocean Harbour" und ankern an einem Wrack, auf dem viele Kormoranpaare nisten. Es geht weiter zur St. Andrews Bay. Hier ist die größte Königspinguin-Kolonie. Ihre Zahl von etwa 80.000 ist schier unglaublich, aber wer sie einmal gesehen hat, glaubt es. Über Berg und Tal steht kilometerweit Pinguin an Pinguin in allen Alters- und Entwicklungsstufen. Auch viele See-Elefanten und Robben sehen wir und die weltweit einmalige Konstellation, dass Rentiere neben Pinguinen grasen. Zwei Tage bleiben wir in der Bucht, ehe wir unseren Weg nach Süden fortsetzen. Wir umsegeln Cooper Island, die als Seevögel-Reservat unter strengstem Naturschutz steht und nicht betreten werden darf. Ungeahnte Mengen von Seevögeln, insbesondere Albatrosse sind hier unterwegs. Ein Kontrastprogramm zur Pinguin-Kolonie in der St. Andrews Bay. Schließlich erreichen wir den am weitest südlich gelegenen Fjord der Insel, den Drygalski Fjord. Von allen Seiten brechen hier die Felswände fast senkrecht ab. Alain steuert die Yacht in einen sehr schmalen Nebenfjord, den Larsen Harbour. Ein von allen Seiten geschützter Standort mit einer überaus eindrucksvollen Kulisse. Wir ankern und bleiben übernacht. Da am nächsten Morgen, dem 29. Januar, das Wetter gut ist, holen wir nochmals unsere Bergausrüstung hervor. Alain fährt uns mit dem Dingi zum Ende des Fjords. Gleich am Ufer ziehen wir die Steigeisen an. Eine Gletscherzunge reicht bis zum Wasser. Über eine steile Schnee- und Eisflanke steigen wir auf bis zu einem Joch, um uns zu orientieren. Unsere Wahl fällt auf den Mt. Normann. Ein toller Anstieg mit tiefen Spalten und steilem Eis liegt vor uns. Die Ausblicke sind so grandios, wie man sie nur auf Inselbergen findet. Zwischen fast senkrechten Fels- und Eiswänden sieht man immer wieder das Meer in den engen Fjorden. Schließlich erreichen wir eine schmale, teils mit Eis überzogene Felsnadel. Es ist der Gipfel. Nur jeweils zu zweit finden wir Platz. Wir sind die ersten Menschen, die auf diesem 1.238 m hohen Gipfel stehen. Ohne es vorher zu wissen, ist uns, wie sich später herausstellt, eine lupenreine Erstbesteigung gelungen. Am Abend kommen wir wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt. Alain holt uns mit dem Dingi ab. Wir sind zufrieden mit uns und der Welt, weil uns nach dem dramatischen Fehlschlag am Mt. Paget noch ein so schöner Erfolg gelungen ist. Ganz entspannt können wir uns jetzt den weiteren Naturschönheiten Südgeorgiens zuwenden. Ich persönlich ahne zu diesem Zeitpunkt schon, dass ich mit meinen Freunden wieder kommen werde, um dem Mt. Paget noch aufs Haupt zu steigen. Und diese Ahnung hat sich, wenn auch erst nach vier Jahren, erfüllt. Auf unserem Rückweg nach Norden steuern wir die Stromness Bay mit ihren drei Häfen an, in denen je eine große verlassene Walfangstation ist. In Husvik Harbour legen wir an. Hans, Martin und ich gehen von hier an der Küste entlang nach Stromness Habour und dann nach Leith Harbour, wo wir wieder auf Alain und die Kotick treffen. Noch einige unvergessliche Tage verbringen wir auf Südgeorgien. In der Cook Bay bleiben wir einen Tag bei der schon seit 1946 aufgelassenen Walfangstation Prince Olav Harbour, segeln durch die Bay of Isles, wo wir in der Rosita Bay ankern und die riesige Robbenkolonie bestaunen. Unser letzter Ankerplatz auf der Hauptinsel ist Elsehul. Hier gibt es nicht nur wieder Unmassen von Robben, sondern wir finden junge, noch nicht flügge Albatrosse in ihren Nestern. Im dichten Neben durchsegeln wir dann die Meerenge Bird Sound und besuchen die britische Forschungsstation auf der Insel Bird, die wenige Kilometer westlich der Hauptinsel liegt. Alain will auf dem Rückweg über die Falkland-Inseln segeln. Sechs Tage lang fesselt uns wieder das meist stürmische Meer mit all seinen Facetten, bis wir im Hafen von Port Stanley, der Hauptstadt der Falkland-Inseln ankommen. Die letzten Seemeilen begleiten uns vier Delphine bis ins Hafenbecken. In Port Stanley feiern wir mit Alain seinen 40. Geburtstag. Ganz überraschend besucht uns der Franzose Jerome Poncet, ein verwegener Seebär, der auf einer der Falkland-Inseln lebt und eine echte Institution in den Gewässern rund um die Antarktis und Südgeorgien ist. Wegen der Windverhältnisse
umsegeln wir die Falkland-Inseln im Norden, durchfahren die berüchtigte
LeMaire-Straße und kommen nach mehr als vier Tagen Kampf mit Sturm,
Wind und Wellen gegen Mitternacht in Puerto Williams an. Am nächsten
Tag segeln wir nach Ushuaia und damit hat sich der Kreis, gespickt mit
vielen unvergesslichen Erlebnissen, geschlossen. |
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